Neue Rolle für Politik in kommunalen Beteiligungen

Neue Rolle für Politik in kommunalen Beteiligungen

Haftungsrisiko für ehrenamtliche Kommunalpolitiker ist zu groß

– “Adieu Schickermoos …?”

Jörg Dehm

Jörg Dehm, Oberbürgermeister a. D.

Es ist dringend an der Zeit, die Rolle der Kommunalpolitik in den Organen der kommunalen Beteiligungen neu zu definieren. Auf eine aktuelle Veröffentlichung in “Der Neue Kämmerer” zur Diskussion in der Sparkassenwelt sei hier beispielhaft verwiesen. Es gibt inzwischen zahllose Beispiele landauf, landab, bei denen die in die Aufsichts- und Verwaltungsräte entsandten Ratsvertreter keine gute Figur gemacht haben und gelegentlich sogar in den Blick und zwischen die Mühlsteine der Justiz geraten sind.

Es ist als erwiesen zu betrachten, dass ein zu großer Teil der ehrenamtlichen Ratsmitglieder und durchaus auch kommunale Spitzenbeamte nicht die vom Gesetz zwingend geforderte Fachkunde für die (höchstpersönliche) Wahrnehmung von Aufsichtsrats- und Verwaltungsratsmandaten mitbringen und diese auch nicht durch (eintägige) Seminare erwerben können.

Dies ist nicht ehrenrührig, ist doch der repräsentative Querschnitt der Bevölkerung gewollt bei der Bildung einer demokratisch gewählten kommunalen Vertretung. Durch den Widerspruch zwischen Kommunalrecht und Gesellschaftsrecht ist das Dilemma festgeschrieben, das wir jahrelang ignoriert haben.

Mit den zunehmenden Problemen in den Gesellschaften und Körperschaften, die in vergangenen Dekaden ihr Geld quasi automatisch verdient haben, wurde und wird die Luft dünner.

Aber wie damit umgehen. Es ist schnell gesagt, alle Politiker sollen raus aus den Aufsichtsräten. Aber wer übernimmt dann im Auftrag der Bürgerinnen und Bürger die demokratische Kontrolle, geht es doch um Vermögen der Allgemeinheit? Es ist auch längst nicht nur ein kommunales Problem, wie uns die Tragödie aus dem  BER-Aufsichtrat und die jüngsten Entwicklungen bei der Deutschen Bahn zeigen.

Und wir können gewachsene politische “Kulturen” nicht einfach ignorieren. Wer in einer Partei auf Kommunalebene mitgearbeitet hat und ggf. selbst Ratsmitglied war, kennt das Procedere. Wenn nach einer Kommunalwahl die “Pöstchen” sprich Mandate verteilt werden, geht es auch darum, jahrelangen kommunalpolitischen Einsatz, der mit sehr viel Zeit und Ärger und wenig Gegenleistung verbunden ist, durch ein Mandat im Aufsichtrat der Stadtwerke oder im Verwaltungsrat der Sparkasse zu honorieren. Und dann ist kein Argument zu blödsinnig, um die Entscheidung zu begründen. Der Mathe-Lehrer ist selbstredend wie geschaffen als Aufseher der Sparkasse und der Elektro-Ingenieur kann sein Fachwissen natürlich am besten beim Energieversorger einsetzen.

Vermutlich würde sich leicht empirisch nachweisen lassen, dass diejenigen, die kommunalpolitisch “Karriere” gemacht und es zum Fraktionsvorstand gebracht haben, mehrheitlich in den oben genannten Gremien der “interessanten” Beteiligungen zu finden sind. In manchen Orten insbesondere des Ruhrgebiets spricht man dabei auch von “Schickermoos-Ausschüssen”, was der Erläuterung bedarf. Bis vor wenigen Jahren wurde in vielen dieser Gremien das Sitzungsgeld in bar zu Beginn der Sitzung in dezenten Umschlägen ausgeteilt. Dies hatte den Vorteil, dass die Barschaft vorbei an der strengen Aufsicht daheim zu zusätzlichen Umtrünken (“schickern”) mit den politischen Freunden oder auch Wettbewerbern genutzt werden konnte. In Zeiten allumfassender Transparenz und regelmäßiger Vergleichsmitteilungen an das Finanzamt ist dies natürlich dunkle Geschichte.

Man mag all dies furchtbar finden, es erklärt aber, warum eine vermeintlich notwendige und sinnvolle Besetzung der Gremien ausschließlich mit ausgewiesenen Fachleuten in der kommunalpolitischen Praxis noch nicht einmal ernsthaft diskutiert wird. Und das “Politiker raus” würde zwar manchen kritischen Bürger begeistern, aber eben nicht abbilden, dass die gewählte Vertretung der Bürgerschaft bei der Steuerung der Beteiligungen eine angemessene Rolle haben muss.

Von daher braucht es eine Lösung, die beides verbindet: Eine sachorientierte Überwachung und Kontrolle der Vorstände und Geschäftsführungen durch einen  objektiv dazu befähigten Aufsichts- oder Verwaltungsrat und die Sicherstellung eines angemessenen Einflusses des Rates auf die kommunalen Beteiligungen.

Der Jurist wird nun ggf. darauf hinweisen, dass die Gemeindeordnungen ja die Lösung vorsehen. Durchweg sollen die Satzung der Gesellschaften und Körperschaften zwingend vorsehen, dass alle wesentlichen Entscheidungen – von der Aufstellung des Wirtschaftsplanes, der Bestellung von Geschäftsführern/Vorständen und Prokuristen, über den An- und Verkauf von Grundstücken und Beteiligungen bis zur Feststellung des Jahresabschlusses und der Ergebnisverwendung – der Gesellschafterversammlung obliegen und damit der direkten Einflussnahme des Rates, der in der Regel dem Vertreter in der Gesellschafterversammlung durch Beschluss das Votum vorgibt. Soweit die Theorie, die bei den zahlreich noch vorhandenen Aktiengesellschaften schon nicht umsetzbar ist. Und bei allen anderen würde das in der Praxis bedeuten, dass sich der Rat i. d. R. zweimal im Jahr mit den Angelegenheiten der Beteiligung befasst und nur in diesem Rahmen eine intensivere Kommunikation zwischen Geschäftsführung und Ratsmitgliedern stattfindet.

Einem gewählten Stadtverordneten kann das – wenn er sein Mandat ernst nimmt – als Möglichkeit der Einflussnahme auf die Stadttöchter nicht wirklich ausreichen. Und das sollte es auch uns als Stadtgesellschaft nicht.

Aus meiner Sicht gibt es mindestens einen Lösungsansatz, den ich für diskussionswürdig halte: Wir trennen bei den kommunalen Beteiligungen zwischen den Aufgaben eines Aufsichtrates, die sich ausschließlich an den gesellschaftsrechtlichen Vorgaben orientieren sollten, und den Möglichkeiten und Befugnissen eines “Kommunalbeirates”.

In den Aufsichtsrat, der sich dann auch eher an den Mindestgrößen orientieren kann, werden ausschließlich “Profis” entsandt. Und damit meine ich – meine aktiven Kolleginnen und Kollegen mögen mir es verzeihen – nicht kommunale Wahl- oder Spitzenbeamte. “Profis” sollten hier diejenigen sein, die von Ihrer wirtschaftlichen, rechtlichen und branchenspezifischen Kenntnis der Geschäftsführung wirklich auf Augenhöhe begegnen und die Überwachung und Kontrolle im Sinne der einschlägigen gesetzlichen Vorschriften und im Interesse des kommunalen Gesellschafters wirksam vornehmen können. Diese Fachleute wird man angemessen bezahlen müssen.

Damit wird das unterbunden, was mir in meiner langjährigen kommunalen Praxis mehr als einmal begegnet ist und was ich für brandgefährlich für alle Beteiligten halte: Das sich ein Aufsichtrat von seinem Selbstverständnis her eher als Fanclub des Geschäftsführers verhält denn als Kontrollorgan. Die zahlreichen Probleme rund um das Thema Compliance oder auch die leidigen Diskussionen um unangemessene Gehälter und Boni seien hier nur am Rande erwähnt.

Der Kommunalbeirat hat dann konzentriert die Aufgabe, die Arbeit der Gesellschaft oder Körperschaft – die ja immer einen öffentlichen Zweck hat – inhaltlich zu begleiten und die Erfüllung der kommunalpolitischen Zielvorgaben zu überwachen. Hier wäre auch – sofern nicht ohnehin das Mitbestimmungsgesetz Anwendung findet – der richtige Anknüpfungspunkt für die fakultative Mitbestimmung der Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer, die sich in der betrieblichen und kommunalen Praxis durchaus bewährt hat.

Selbstverständlich muss der Kommunalbeirat nicht zwingend zu gleichen Einschätzungen und Entscheidungen kommen wie der Aufsichtsrat. Aufgrund der Besonderheit der kommunalen Beteiligungen (und des öffentlichen Zwecks) werden insbesondere in den Fällen, in denen zur Erreichung kommunalpolitischer Ziele Entscheidungen getroffen werden sollen, die wirtschaftlich nicht das bestmögliche Ergebnis für die Gesellschaft darstellen, beide Gremien unterschiedlich votieren.

Es ist dann die Aufgabe der Gesellschafterversammlung oder Hauptversammlung, dies aufzulösen und eine Entscheidung zu treffen. Es gibt diesen immanenten Interessenkonflikt, der allerdings bisher “in den Köpfen” der kommunalen Aufsichträte stattfindet. Mit einer Trennung der Aufgaben schafft man Transparenz und Klarheit und entlastet die Kommunalpolitik von einem Spagat, der für keinen der Beteiligten Vorteile bringt, am wenigsten für die Bürgerinnen und Bürger!

Am Ende ist es dann auch eine kommunalpolitische Entscheidung, den in die Kommunalbeiräte entsandten Ratsmitgliedern eine angemesse Aufwandsentschädigung zukommen zu lassen. Mit “Schickermoos” hat das dann nichts mehr zu tun.